ALFA-FORUM Nr. 45 (2000)

ALFA-FORUM Nr. 45 (2000)
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Alphabetisierung in Europa II Beiträge zum Schwerpunktthema - Mitrofan, Cristian:... mehr
Produktinformationen "ALFA-FORUM Nr. 45 (2000)"

Alphabetisierung in Europa II Beiträge zum Schwerpunktthema
- Mitrofan, Cristian: Alphabetisierung in Curtea de Arges/Rumänien. Pilotprojekt im Kreis Arges.
- Döbert, Marion: Spanische Alphabetisierungs und Grundbildungsarbeit.
- Esteves, Maria José: Alphabetisierung in Portugal.
- Gallina, Vittoria: Analphabetismus in Italien.
- „Alice" – ein Lernsystem für Frankreichs Ernährungssektor.
- Gülmez, Dogan: Alphabetisierungskurse für Erwachsene in Ankara.
- Hammink, Kees: Alphabetisierung in den Niederlanden – früher und heute. Eine kritische Betrachtung.
- McAleer, Dara: Grundbildung in der Grafschaft Clare/Irland.

Allgemeine Beiträge
- Jokisch, Sabine: Alphabetisierung im handlungsorientierten Unterricht. Das Sprachmuseum.
- Kleinmann, Klaus: Schriftspracherwerb unter erschwerten Bedingungen.
- Fehrmann, Gisela: Zum Einfluss der Schriftsprachkompetenz auf Diskursstrategien in mündlichen Narrationen.
- Genuneit, Jürgen: Lebensgefährlich: Alphabetisiert in Portugal. Analphabetismus und Alphabetisierung in José Saramagos Roman „Hoffnung im Alentejo".
- Korfkamp, Jens: Übungsblätter per Mausklick. Ein Computerprogramm.
- Hubertus, Peter: Literaturverzeichnis zur Alphabetisierung. Jahresverzeichnis 1999.
- Weltalphabetisierungstag am 8. September 2000: Aktivitäten und Impressionen.

Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
sicher erinnern Sie sich daran, wie der Erdteil Europa zu seinem Namen kam? Zeus, der alte Schwerenöter, hatte in Gestalt eines Stieres die Königstochter Europa entführt. Erst nach langer Reise über das Meer kann sie an fremdem Gestade von seinem Rücken gleiten – und dieser Kontinent wird nach ihr benannt. Aber hatte Europa, wie auf dem Titelblatt des Alfa-Forums deutlich zu sehen ist, bei dieser Gelegenheit den Europäern das Buch zum Lesen und den Stift zum Schreiben gebracht? War sie Europas erste Alphabetisiererin? Derartige Details sind in den „Schönsten Sagen des klassischen Altertums” von Gustav Schwab nicht aufgeführt. Und doch: Im Vergleich zu manchen anderen Erdteilen ist der Anteil der Schriftsprachkundigen in unseren Breitengraden glücklicherweise recht hoch. Im vorletzten Alfa-Forum hatten wir bereits einen Themenschwerpunkt „Europa”, und in dieser Ausgabe tragen wir einige weitere Länder nach. Auffällig sind zwei Fragenbereiche, die in den einzelnen Beiträgen immer wieder angesprochen werden: • Wollen, dürfen oder müssen funktionale Analphabeten Lesen und Schreiben lernen; was haben sie davon, wenn sie es denn lernen? • Wer hat ein Interesse daran, dass Erwachsene Lesen und Schreiben lernen; woraus begründet sich dieses Interesse? Am deutlichsten beschreibt Kees Hammink für die Niederlande einen Perspektivenwechsel, der sich im Laufe der Jahre vollzogen hat: In den Anfängen der Alphabetisierungsarbeit standen die sozialen und politischen Lebensbedingungen sowie die Interessen der Lernenden im Mittelpunkt, „wobei der ideologische Ansatz in der Tradition von Paulo Freire stand: Alphabetisierung als Weg zu Emanzipation und Befreiung”. Im Zuge der Professionalisierung des Arbeitsbereichs entstand eine eher funktional ausgerichtete Alphabetisierung: „Der Schwerpunkt lag nun auf sozialer Partizipation statt wie bisher auf Emanzipation und Befreiung.” Mit Blick auf den Arbeitsmarkt wird die „wirtschaftliche Notwendigkeit von Grundbildung” betont, während „die Vorteile für den individuellen Menschen – ganz zu schweigen von emanzipatorischen Aspekten” – in den Hintergrund treten. Demgegenüber wird das Selbstverständnis der Grundbildung in Spanien von Marion Döbert so formuliert: „Der Erwachsene wird ... auch in seiner Rolle als Mitgestalter der gesellschaftlichen und politischen Realität betrachtet, sodass Erwachsenenbildung nicht nur eine rein pädagogische Aufgabe ist. Vielmehr geht es in der programmatischen Zielsetzung auch um die Erfüllung der spanischen Verfassung und der Charta der Menschenrechte.” In Portugal hatte die Verbindung von Alphabetisierung, dem Erwerb eines Schulabschlusses und Berufsvorbereitung großen Erfolg; Maria José Esteves weist darauf hin, dass Politiker „heute die besondere Bedeutung der funktionalen Alphabetisierung für die wirtschaftliche Entwicklung und für den gesamtgesellschaftlichen Fortschritt” betonen. Dogan Gülmez schreibt zur Situation in der Türkei: „Es sieht so aus, als würden mächtige Interessen einer bestimmten privilegierten Klasse verhindern wollen, dass die Menschen lesen und schreiben lernen, denn es wird befürchtet, dass sie dann durch mehr Wissen und Aufklärung für ihre eigenen Rechte eintreten und sie einfordern werden.” Mit welchem Ziel und zu welchem Zweck lernen Erwachsene den Umgang mit der Schrift? Und aus welchen Motiven heraus sollten wir sie dazu ermuntern und dabei unterstützen? Es darf keine rein funktionale Alphabetisierung geben, die nur deshalb vorhandene „Defizite” im Grundbildungsbereich ausgleichen will, damit die Ausgaben beim Arbeitslosengeld und der Sozialhilfe niedrig gehalten werden können. Nach wie vor hat die Sentenz aus dem Abschlusskommuniqué der Bremer Tagung „Für ein Recht auf Lesen” vom November 1989 Gültigkeit: „Mit einem Recht auf Lesen wird ein Recht auf Bildung eingeklagt” – und ein Recht ist keine Pflicht. Eine anregende Lektüre wünschen
Peter Hubertus & Marion Döbert Mitglieder des Bundesverbandes Alphabetisierung und Grundbildung e.V. erhalten auf diesen Artikel 20% Rabatt.

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