ALFA-FORUM NR. 88 (2015)
Schwerpunktthema: Alphabetisierung - wozu?
„Alphabetisierung – wozu?“– Mit dieser etwas provokanten Frage haben wir uns dieses Mal einen Schwerpunkt gesetzt, der bewusst die traditionellen Grenzen des „Grundbildungs- und Alphabetisierungsterritoriums“ überschreiten und aus verschiedensten Blickwinkeln und disziplinären Kontexten fragen sollte, mit welchem Zweck Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit betrieben wird – oder auch: werden sollte.
Für die schnelle Generierung von Fachkräften scheint Alphabetisierungsarbeit nicht tauglich; Neue Medien helfen, Lesen und Schreiben zu umgehen – ist Schreiben und Lesen also tatsächlich antiquiert? Die Beiträge des Schwerpunktes beleuchten auf vielfältige Weise unsere Grundfrage – und erweisen vor dem Hintergrund so unterschiedlicher Denker wie Paulo Freire, Ernst Cassirer, Hans Jonas oder Vilém Flusser die Notwendigkeit des Schreibens und Lesens für die kulturelle und politische Entwicklung des Menschen. Vor dem praktischen Hintergrund betrieblicher Anforderungen an Beschäftigte widmet sich Simone C. Ehmig der Schwerpunktfrage nach dem Wozu der Alphabetisierung und zeigt, dass auch die ganz praktischen Erfordernisse im Unternehmen Lese- und Schreibkompetenzen erforderlich machen. Neben diesen für das ALFA-Forum doch überwiegend einigermaßen „exotischen“ Schwerpunktbeiträgen finden Sie in diesem Heft eine weitere Neuerung. Mit „Pädagogik & Methodik“ haben wir eine neue Rubrik eingerichtet, in deren Zentrum jeweils Beiträge stehen sollen, die sich dezidiert der pädagogischen Arbeit widmen. Es geht uns dabei vor allem um Erfahrungsberichte, um Erfolgsgeschichten aus der praktischen Arbeit von Lehrenden im Bereich der Alphabetisierung. Welche Methodiken kamen bei Lernern richtig gut an? Was hat sich nicht bewährt? Was haben Sie erfolgreich ausprobiert? Von der Menge der Abstracts und Beiträge, die uns für diese Rubrik erreicht haben, sind wir selbst überrascht worden – und hoffen, dass dies ein Indikator für die Relevanz dieser Rubrik ist, die in Zukunft regelmäßig Teil des AlfA-forums sein soll.
Außerhalb des Schwerpunktes lesen Sie in dieser Ausgabe den Beitrag von Aileen Heinze, die die Methode der Kollegialen Beratung als Best Practice-Modell auch für Lehrende der Grundbildung beschreibt. Konstanze Butenuth, Diana Stuckatz und Urda Thiessen berichten von der Einführung des Alpha-Kompetenz-Aufklebers im Berliner Bezirk Neukölln – auch dies ein potentielles Best Practice-Modell für andere deutsche Städte. Zu guter Letzt folgt eine Rezension des kürzlich erschienen Sammelbandes „Literalitäts- und Grundlagenforschung“, herausgegeben von Anke Grotlüschen und Diana Zimper, sicherlich ein zukünftiges Referenzwerk für die Grundbildungsarbeit.
Als Titelsymbol haben wir uns für diese Ausgabe das Play-Symbol gewählt. Es steht in gewisser Weise für einen doppelten Verlust des Lesens und Schreibens: Als Piktogramm steht es anstelle des Wortes, das es bedeutet; die Technik bzw. die Medien, in denen es zum Einsatz kommt, können helfen, ohne Lesen und Schreiben auszukommen und somit zu einem (möglichen) Verlust an Lese- und Schreibkompetenz beitragen – was wir gleichwohl doch alle nicht hoffen.