ALFA-FORUM Nr. 65 (2007)
Recht auf Bildung
Beiträge zum Schwerpunktthema:
- Mona Motakef: Das Recht auf Bildung als Recht auf Alphabetisierung
- Marianne Demmer: Wird das Menschenrecht auf Bildung in Deutschland verletzt?
- Jesco Weikert: Förderung der Alphabetisierung in Rheinland-Pfalz
- Ada Sasse: Die "Zehn Rechte der Kinder auf Lesen und Schreiben" der Deutschen Gesellschaft für Lesen und Schreiben (DGLS)
- Autorenteam Selbsthilfegruppe Ludwigshafen/R.: Habe ich das Recht auf Bildung als Kind verspielt?
- Autorenteam Selbstilfegruppe Ludwigshafen/Horst: War es meine Schuld?
- Autorenteam Selbsthilfegruppe Ludwigshafen: Wer war hier "faul"?
- Achim Scholz: "Lese- und Schreibservice" für Benachteiligte. Ein LOS-Mikroprojekt der Volkshochschule Oldenburg
- Brigitte van der Velde: Mein trauriger Abschluss nach 25 Jahren Arbeit
- Brigitte van der Velde: Ideenklau
Allgemeine Beiträge:
- Unterrichtsmaterialien und Lehrwerke: Alphabetisierung von Migrantinnen und Migranten
- Das Alfa- Mobil: Rückblick auf ein erfolgreiches Projekt. Ein Interview
- Dimitri Derisiotis: Volkswirtschaftliche Kosten der Leseschwäche in der Schweiz
- Marion Döbert: "Zusammenleben" - Sachlektüre nicht nur für Lese- und Schreibkurse. Eine Rezension.
- Ulrich Steuten: Überleben ohne Schrift. Uraufführung von "Tarzan und Heidi" im Moerser Schlosstheater. Eine Rezension.
- Gerald Schöber: Wenn Betroffene betroffen machen... . Der "ALFA-Rundbrief" 35 vom Sommer 1997.
Editorial:
Liebe Leserinnen und Leser,
Die Idee für das Schwerpunktthema dieses ALFA-FORUMs entstand zum einen aus den einzelnen Rechtsfragen von betroffenen Menschen und zum anderen aus der gegenwärtigen Diskussion unterschiedlicher gesellschaftlicher Systeme zur Problematik von Nicht-Lesen- und -Schreiben-Können. Wir haben UN-Beauftragten, Verfassungsrechtlern, Länderregierungen, Gewerkschaften, Sozialgerichten und Ratgebern die Fragen der betroffenen Menschen gestellt. Bereits diese Recherche könnte eine eigene interessante Sammlung von Erkenntnissen und gegenwärtigen Schwierigkeiten – Rechtsfragen zum funktionalen Analphabetismus verbindlich zu klären – darstellen.
Die nun zur Verfügung gestellten und hier veröffentlichten Beiträge spiegeln die stattfindende öffentliche Debatte um Grundbildung wider, nämlich einen gewachsenen politischen Druck herzustellen und so gesetzliche und rechtliche Grundlagen für die Förderung von (Grund-) Bildung zu schaffen.
Den Ausgangspunkt bildet die Darstellung der UN-Konventionen zum Recht auf Bildung von Mona MOKATEF. Sie diskutiert, dass es auch das Menschenrecht auf Alphabetisierung gibt, konkret: eine frei zugängliche Grundbildung, auch für erwachsene Menschen. Marianne DEMMER von der Gesellschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) nimmt in ihrem Beitrag die Kritik des UN-Sonderberichterstatters Vernor MUÑOZ am deutschen Bildungssystem auf. Zentrale Feststellung ist, dass das deutsche Bildungssystem Menschen mit unterschiedlicher sozialer Herkunft nicht gleiche Chancen auf Bildung ermöglicht. DEMMER verweist auf den durch die Föderalismusreform entstandenen rechtlichen Zuständigkeitswirrwarr für die Bildungsaufgaben in Deutschland, die auseinanderdriftenden Indikatoren der Chancengleichheit für Zugangsbedingungen zu Bildungsmöglichkeiten und die Schulstrukturfrage. Die GEW fordert die Verankerung des Grundrechtes auf Bildung in der Verfassung.
Der Beitrag von Jesco WEICKERT, Bildungsreferent beim Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur in Rheinland-Pfalz, setzt sich mit den Förderbedingungen für Alphabetisierung und Grundbildung seines Bundeslandes auseinander und stellt dessen Initiativen zur Verbesserung der Grundbildung vor: Möglichkeiten des nachholenden Hauptschulabschlusse, Kurse für MigratInnen, Selbstlernzentren mit Bildungsberatung und Evaluationsprogramme für Alphabetisierungsangebote. Als eines der wenigen Länder hat Rheinland-Pfalz die Fördermittel für Alphabetisierung und Grundbildung erhöht.
Die Deutsche Gesellschaft für Lesen und Schreiben (DGLS) bringt sich seit langem in die aufgezeigte bildungspolitische Debatte ein und fordert für Kinder und Jugendliche entsprechende Rechte, um grundlegende Kompetenzen des Lesens und Schreibens erwerben zu können. Ada SASSE fasst in ihrem Beitrag die „Zehn Rechte für Kinder und Jugendliche auf Lesen und Schreiben“ zusammen: beispielsweise Rechte auf motivierenden und bei Schwierigkeiten zusätzlichen Unterricht, Zugang zu Büchern und verschiedenen Medien, Unterstützung von Eltern und anderer öffentlichen Institutionen. Mitglieder der Selbsthilfegruppe Ludwigshafen beschreiben ihre Erfahrungen aus der Schule, aus Betreuungskontexten von Sozialer Arbeit und Grundsicherung und benennen die Bedeutung dieser Rechte auf Bildung rückblickend für ihre eigene Lebenssituation.
Die Illustrationen wurden von Achim GRESER und Heribert LENZ sowie Uli STEIN für dieses Heft zur Verfügung gestellt. Wir bedanken uns herzlich dafür! Uli STEIN kam nach der Note vier im Zeichnen über ein Pädagogikstudium und den Beginn einer Beamtenlaufbahn erst in den Siebziger Jahren zum Fotografieren, zum Schreiben und zum Zeichnen. Sein Buch „Pisa-Alarm“ stand mehrere Monate auf der Bestseller-Liste. Achim GRESER und Heribert LENZ zeichnen seit ihrem Grafikstudium
gemeinsam für das Satiremagazin „Titanic“, wurden durch die politischen Comicserien „Genschman“ und „Die roten Strolche“ bekannt. Seit 1996 zeichnen sie regelmäßig für die F.A.Z.
Recht auf Bildung – die Ausgabe des ALFA-FORUMs macht wiederholt auf den Stand um dieses Recht aufmerksam. Wie und wo diskutieren wir heute im Vergleich zu Zeiten der PISA-Veröffentlichungen? Wir wünschen uns eine weiterführende Verständigung und konkrete Klärungen für viele Situationen, wo betroffenen Menschen dieses Recht auf Bildung zur Partizipation verhelfen kann.